Marcel Proust • Sodom und Gomorra I
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 4.1
Dieses und die folgenden Bände sind erst nach seinem Tod (1922) erschienen.
Hauptfigur wird Monsieur de Charlus und dessen "heimliche" Homosexualität. Proust beobachtet und beschreibt diese akribisch. Vielleicht, weil er selbst homosexuell war?
Gefühlschaos bezüglich Albertine. Was für ein Hin und Her!
Meine Begeisterung und mein Durchhaltvermögen wurden ziemlich auf die Probe gestellt!
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Monsieur de Charlus, eine vornehme Abendgesellschaft, Oriane de Guermantes, Swann schwer krank
Man beunruhigt sich, und oft erinnert man sich dann lange nach der Stunde der Gefahr, die man dank der Zerstreuung vergessen hat, erst wieder an seine Sorgen.
Aber manchmal wohnt die Zukunft schon in uns, ohne dass wir es wissen, und unsere Worte, die zu lügen meinen, bezeichnen eine nicht ferne Wirklichkeit.
So groß ist die Feigheit der Weltleute.
Jede Tätigkeit des Geistes ist leicht, wenn sie nicht der Wirklichkeit untergeordnet werden muss.
In dem großen Versteckspiel, das sich im Gedächtnis zuträgt, wenn man einen Namen wiederfinden will.
Jedenfalls wenn es Übergänge zwischen Vergessen und Erinnern gibt, sind diese Übergänge völlig unbewußt.
... so daß nur das Leiden an einer Sache uns möglich macht, deren Mechanismen, welche man sonst gar nicht kennen würde, zu bemerken, zu begreifen und zu analysieren.
Ich habe es nicht sehr gern, wenn man mir in einer Form, die ich widerspruchslos hinnehmen muss, sagt, was ich von den Menschen meiner Bekanntschaft halten soll.
Ich habe kaum mit Ihnen gesprochen, aber so ist es nun einmal in der Welt, man sieht sich nicht, man sagt sich nicht, was man sagen möchte; im übrigen ist es überall im Leben das gleiche.
Tatsächlich helfen gewisse Vorzüge, die man selbst besitzt, eher die Fehler des Nächsten ertragen, als dass sie zu einer Qual werden.
Er war bei jenem Grad der Ermüdung angelangt, in dem der Körper eines Kranken nur noch Retorte ist, in der man chemische Reaktionen beobachten kann.
Selbst wenn man nicht mehr an den Dingen hängt, ist es nicht unbedingt gleichgültig, ob man daran gehangen hat, denn immer ist es aus Gründen gewesen, die den anderen entgehen. Wir spüren, dass die Erinnerung an diese Gefühle einzig in uns selbst besteht; in uns selber müssen wir daher Einkehr halten, um sie zu betrachten.
Ich schließe mir selbst mein Herz auf, als wäre es so etwas wie eine Vitrine und betrachte eine nach der anderen alle die Arten von Liebe, welche die anderen nicht kennengelernt haben.
Man ist plötzlich müde, sobald man befürchtet, man könne müde sein. Um die Müdigkeit aber zu überwinden genügt es, dass man sie vergißt.
Von einem gewissen Grad der Abspannung an, ob diese nun durch Alter oder Krankheit verursacht ist, wird jedes Vergnügen, das auf Kosten des Schlafes geht oder sich auch nur außerhalb unserer Gewohnheiten abspielt, jede Regewidrigkeit, zu schwerem Mißvergnügen.
Denn nirgends ist das Vergehen so schlecht aufgehoben wie im Geiste des Schuldigen selbst.
Wenn man wartet, leidet man so sehr unter der Abwesenheit dessen, was man sich herbeiwünscht, dass man keine andere Gegenwart erträgt.
Die Fortschritte der Zivilisation gestatten jedem, ungeahnte Vorzüge oder neue Laster zu offenbaren, durch die er seinen Freunden um so teurer oder ganz unerträglich wird.
Die Krankheit ist derjenige von allen Ärzten, auf den man am ehesten hört: der Güte, dem Wissen gibt man Versprechungen; man gehorcht dem Leiden.
Jede Person, die bei einer anderen erschien, wurde selbst eine andere.
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Anfälligkeiten des Herzens, Balbec, die Welt des Schlafes
Die Bilder, welche die Erinnerung auswählt, sind ebenso willkürlich, ebenso enggefaßt, ebenso ungreifbar wie die, welche die Einbildungskraft gestattet und die Wirklichkeit dann zerschlagen hat.
Die Realität besteht für uns nicht, solange sie nicht durch unser Denken neuerschaffen ist.
auf Grund jenes Anachronismus, durch den so oft der Kalender der Tatsachen mit dem Kalender der Gefühle nicht zusammenfällt
Denn mit den Störungen des Gedächtnisses ist eine Intermittenz, ein Versagen auch des Herzens verbunden.
denn da die Toten nur mehr in uns existieren, treffen wir unermüdlich uns selbst, wenn wir uns eigensinnig aller Schläge erinnern, die wir einst gegen sie geführt.
Es macht oft Kummer, wenn man denkt.
dass der Tod nicht unnütz ist, sondern dass der Tote aus weiterhin auf uns einwirkt.
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Albertine, Morel, Charlus, die Verdurins
Doch gleichen die Personen, je mehr man sie kennenlernt, desto mehr einem Metall, das man in eine sie verändernde Lauge hält; man kann dann beobachten, wie nach und nach ihre Vorzüge (zuweilen auch ihre Fehler) schwinden.
Aber die Liebenswürdigkeit bekundet sich nicht bei allen Leuten auf die gleiche Weise.
Außerdem soll man sich niemals durch die Frage aufhalten lassen, wie man wieder nach Hause kommt.
Ich selbst hatte mich in dem gleichen Maße verändert, wie meine Freundin mir verwandelt schien.
der wahren Meister, das heißt jener, die sich selbst vollkommen gemeistert haben.
Denn die Theorien und Schulen verschlingen einander wie Mikroben und kleine Zellkörperchen und suchen durch ihren Kampf die Kontinuität des Lebens sicherzustellen.
Die Neuigkeit erlebte eine Verbreitung nur durch Gespräche der "Jungen".
Die Organe verkümmern oder entwickeln sich zu größerer Kraft und Feinheit, je nachdem, wie groß das Bedürfnis nach ihnen ist.
in diesem rhythmischen Schwanken zwischen Liebeserklärung und Bruch
Es ist menschlich, den Schmerz zu suchen, menschlich aber auch, sich davon zu befreien.
Das geliebte Wesen ist nacheinander das Übel und das Heilmittel.
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