Marcel Proust • Die Welt der Guermantes II

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 3

erschienen 1921

Dieser Band war für mich anstrengend - vielleicht, weil ich diesmal noch viel mehr in seine Welt eingetaucht bin. Ich war verstört, genervt, gelangweilt - hatte Sorge, meine Zeit zu verlieren.
Jetzt aber bin ich froh, dass ich mir die Zeit genommen habe seinen Gedankengängen zu folgen - seinen Beobachtungen und Analysen des menschlichen Verhaltens. Ich hoffe, es wird meinen Blick schärfen...


Marcels Großmutter liegt im Sterben.
Rund um diesen Prozess ereignen sich kuriose Dinge.

Sie hatte die Gedanken und Kümmernisse, die ich ihr seit meiner Kindheit anvertraut hatte, endgültig an mich zurückgegeben.

von Grauen vor dem Sonderbaren am Tode heimgesucht

Doch damit ein lebendes Wesen sich aufrecht hält bedarf es einer Kraftanstrengung, die wir gewöhnlich nicht stärker wahrnehmen als (weil er nach allen Richtungen wirkt) den atmosphärischen Druck.

Jeder Mensch ist sehr allein.

Der strahlende Glanz eines berühmten Namens macht an dem Grabstein halt. In der Dumpfheit ewigen Schlafes belästigt der Ruhm einen nicht. 

das pflanzenhafte Dasein eines Rekonvaleszenten

Toren bilden sich ein, das weite Feld sozialer Phänomene biete eine ausgezeichnete Gelegenheit, in die menschliche Seele tiefer einzudringen, während sie im Gegenteil wissen sollten, dass sie umgekehrt nur durch tiefe Einsicht in den Grund des Individuums eine Chance haben, diese Phänomene zu verstehen. 

ahnungslose Rohheit
Weisheit der Verzweiflung
Maske der Gleichgültigkeit
unaufhörliche Untätigkeit

Ein Priester hat wie ein Irrenarzt immer etwas von einem Untersuchungsrichter.

Das Leben ging und nahm die Enttäuschungen des Daseins gleichfalls mit sich fort. 

***

Albertine kommt zu Besuch; ein Rendezvous mit Vicomtesse de Stermaria scheitert - Gedanken über Liebe und Lust; die Freunde von Saint-Loup; Dîner bei den Guermantes - die völlige Nichtigkeit des Salonlebens; Besuch bei Monsieur Charlus; Besuch bei den Guermantes

Ein Wetterwechsel aber genügt, um die Welt und uns selbst gleichsam neu zu erschaffen. ... Jedes sichtbare Veränderung der Natur bietet uns die Möglichkeit eines ähnlichen Wandels, indem sie unsere Wünsche harmonisch dem neuen Zustand der Dinge anzupassen versucht. 

ein fröstelnder Adam auf der Suche nach einer in dieser so veränderten Welt fest verankerten Eva

die geheimnisvolle Unbestimmtheit sich lichtenden Dunkels

Die Geschöpfe, die in unserem Leben eine Rolle gespielt haben, verlassen uns nur selten mit einem Schlag und für alle Zeiten. Sie tauchen immer wieder darin auf bis sie endgültig verschwinden. 

Sobald man ganz und gar mit einer Frau lebt, sieht man nicht mehr von dem, um dessentwillen man sie geliebt hat. 

Nicht verhindert so erfolgreich wie intensives Wünschen,  dass die Sachen, die man sagt,  auch nur im entferntesten denen gleichen, die man denkt. 

Deswegen sind die etwas schwierigen Frauen, die man nicht auf der Stelle besitzt, von denen man nicht einmal gleich weiß, ob man sie jemals besitzen wird, die einzig interessanten. 

Es ist für eine Frau schwierig, in den Bewegungen ihrer Glieder, in den Empfindungen ihres Körpers, wenn sie mit einem guten Freund zusammen ist, die unbekannte Sünde zu erkennen, in die sie bei einem Fremden befürchten würde hineingezogen zu werden. 

Das furchtbare Täuschungsmanöver der Liebe besteht ja darin, dass sie uns nicht mit einer Frau der äußeren Welt in Gedanken spielen lässt, sondern mit einer aus unserem eigenen Hirn entsprungenen Marionette, dem einzigen Bilde, das wir immer zu unserer Verfügung haben, das wir besitzen und das die Willkür unserer Erinnerung, fast ebenso unumschränkt wie die der reinen Imagination, ebenso verschieden von der wirklichen Frau gestaltet haben kann, einer künstlichen Schöpfung also, der wir ganz allmählich zu unserer Qual die wirkliche Frau gewaltsam anzugleichen suchen. 

Was mir Kummer bereitete, war die Erkenntnis, dass fast alle Häuser von Unglücklichen bewohnt waren. ... Die halbe Menschheit lebte in Tränen dahin.

..., dass die Schwierigkeit, einen Gegenstand zu erreichen, das Verlangen danach vermehrt.

die Enttäuschung der Erfüllung

jene zusätzliche Wärme, die wir in uns selbst manchmal nicht zu erzeugen vermögen

Wir nehmen selten unser Leben wahr. 

War seine triumphierende Miene die, die wir annehmen, um unsere Verlegenheit beim Eingestehen einer Sache zu bemänteln, von der wir ganz genau wissen, dass wir sie nicht hätten tun dürfen? Lag mangelnde Bewusstheit darin? Oder Einsichtslosigkeit, durch die er einen Fehler, den ich nicht an ihm kannte, auch noch zur Tugend erhob?

Dass man sich verliert, ist noch nicht schlimm, sondern dass man sich hinterher nicht wieder zurechtfinden kann.

Da im übrigen auch nach den merkwürdigsten Ereignissen das Leben weitergeht. 

Sie besaßen viel Geist und Herz und wurden durch den Gebrauch, den sie davon machten, zu wirklich liebenswerten Menschen. 

Du brauchst dir nur vorzustellen, was für eine kosmische Angelegenheit so ein Krieg von heute wäre. Eine größere Katastrophe als die Sintflut oder die Götterdämmerung, nur von kürzerer Dauer.

Sicherheit des Geschmacks auf der Ebene nicht des Schönen, sondern der Umgangsformen

das höchste Lob Gottes liege in der Verneinung des Atheisten, der die Schöpfung so vollkommen findet, dass er auf den Schöpfer verzichten zu können meint

dass man aus Höflichkeit gewisse Gefühle vorgeben und gewissenhaft bestimmte Funktionen der Liebenswürdigkeit erfüllen muss

Die Vergangenheit entflieht nicht, sie bleibt und verharrt bewegungslos. 

der Stempel völliger Geistesabwesenheit

Doch hat Nachahmung zur Voraussetzung nicht nur das Fehlen einer auf sich selbst gegründeten Originalität, sondern auch noch eine relative Feinheit des Gehörs, die zunächst einmal zu erkennen gestattet, was man hernach kopiert.

da jede Kritikergeneration sich darauf beschränkt, das Gegenteil der von ihren Vorgängern erkannten Wahrheiten zu predigen

die Nichtigkeit des Lebens in der Gesellschaft

die Unfähigkeit wahres Vergnügen zur finden, in der man steckenbleibt, solange man es immer nur sucht 

einer jener eisernen Charaktere, unter deren Herrschaft nervöse Menschen eine Art von Beruhigung finden

tiefes Schweigen, das schon eine Vorbereitung auf künstliche Aufregung bedeutet

dass über der Welt der Notwendigkeit noch die der Freiheit ist

In der Liebe führt oft die Dankbarkeit, der Wunsch, Vergnügen zu bereiten, zu größeren Geschenken, als Hoffnung und Selbstsucht vordem erwarten ließen.

Worte und vor allem Arten des Schweigens fand, die niederschmetternd wirkten

Bislang angenehm plätschernd in dem von ihr selbst in Bewegung gehaltenen geistigen Bad, das sie heute Abend nahm.

dass man im Leben unter der Einwirkung einer außergewöhnlichen Erregung tatsächlich manchmal sagt, was man denkt

wenn er wie so viele Leute von Welt den Verstand besäße, einfach dumm zu bleiben. Nur dieser Anstrich von Wissen ist fürchterlich. Er will einen Geist haben, der allem geöffnet ist ... allen Dingen nämlich, die er nicht versteht. 

dass man zwischen sich und jeder anderen Person die Mauer einer fremden Sprache verspürt

Unser Gedächtnis und unser Herz sind für die Treue nicht groß genug. 

eine außerordentlich anpassungsfähige Intelligenz

so wie man gewisse leicht wahrzunehmende Ehrenämter auch noch im Zustand der Altersschwäche beizubehalten pflegt

das nervöse Vergnügen der flüchtigen Erregung

ein Rausch, der in Melancholie einmündete, weil er künstlich war

Wir können ganz nach unserer Wahl uns der einen oder anderen von zwei Kräften hingeben; die eine steigt aus uns selber auf, sie entströmt den Erlebnissen unseres Inneren, die andere kommt uns von außen zu. Die erste trägt von Natur eine Freude in sich... 

Das Bedürfnis zu sprechen hindert nicht nur am Hören, sondern auch am Sehen...

Eine Sympathie ist immer eine Kostbarkeit. Was man allein im Leben nicht vollbringt, weil es Dinge gibt, die man aus sich selbst weder erstreben, noch tun, noch wollen, noch erlernen kann, vermag man zu mehreren. 

und kannst du nicht verzeihen, so lass Vergessen walten

die Menschheit mit der wir umgehen und die so wenig unseren Träumen gleicht

die Tyrannei der Wirklichkeit

Die Motive der Menschlichkeit sind etwas so Geheiligtes für jeden, bei dem sie ins Feld geführt werden, dass man sich ihnen unbedingt beugen muss, ob man sie nun für aufrichtig hält oder nicht. 

Sie müssen immer über alles eine Meinung haben. Da sie aber keine besitzen, verbringen sie jeweils den einen Teil ihres Lebens damit, uns nach der unseren zu fragen, um im zweiten tischen sie sie uns dann wieder auf. 

sah sie die beste Art, den Konflikt zu lösen, darin, ihn einfach zu negieren



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